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Unnahbar - Eine Liebe unter Frauen, Sigrid Lenz

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Unnahbar - Eine Liebe unter Frauen v. Sigrid Lenz

Eine zurückgezogen lebende Übersetzerin erhält überraschenden Besuch. Die Tochter einer ehemaligen Geliebten weckt Erinnerungen und eröffnet zugleich die lange vergessene Möglichkeit einer neuen Liebe.
Doch die junge Frau ist nicht, was sie vorgibt zu sein. Beide verstricken sich in ein gefährliches Spiel, in dem Geheimnisse, Abgründe, vergangene und neue Verbrechen ans Licht gezerrt werden.
 

Wörter: 51.695, 152 S.

lesbische Liebe, lesbisch, Liebe, Frauen, Romance, Kurzgeschichten, Frauenliebe, Liebesroman, Mystery

 

Leseprobe:

Erneut fuhr sie zusammen. Was war das? Das Mädchen? Verursachte Felice diese Geräusche? Amelia rieb sich den Schlaf aus den Augen. Zögernd ging sie ein paar Schritte auf ihre Zimmertür zu, wartete wieder ab. Alles blieb still. Amelia schlüpfte in ihre Pantoffeln und öffnete vorsichtig die Tür. Das leise Quietschen jedoch erschreckte sie weniger als der Schatten, der ihr ohne Vorwarnung durch das Gesicht fuhr. Ein kalter Hauch, eine Spinnwebe nur, und doch brachte er Amelia zum Erschauern. Und dort, der weiße Nebel, nein, die Gestalt… Amelia schloss ihre Augen und krümmte sich zusammen. Sie wollte zurückweichen, doch die Angst lähmte ihr die Glieder. Was, was? Tonlos bewegten sich ihre Lippen. Hämmernd pochte das Blut in ihren Adern. Das Ausmaß der Furcht stieg an, wurde größer, riesig, unerträglich. Amelia riss ihre Augen wieder auf und stolperte. Ob vorwärts oder rückwärts konnte sie nicht sagen. Ob innerhalb oder außerhalb ihrer Vorstellungskraft entzog sich ihrer Kenntnis. Amelias Stimme überschlug sich, als sie einen Laut ausstieß, der das Ausmaß ihrer Panik in sich trug.
„What happened?“ Ein mindestens ebenso erschrockener Ton drang von Weitem an ihr Ohr. Kalte Hände fassten die ihren, entließen sie wieder, als sie zurückzuckte, ein ersticktes Geräusch ihrer Kehle entfloh. Ein Arm fasste sie um die Taille, stabilisierte ihren Stand, zog sie an einen warmen Frauenkörper. „You’re alright?“ Amelia zitterte, doch es gelang ihr, die bebenden Lider zu heben. Felices besorgter Blick tauchte in den ihren. Die blaugrünen Augen schimmerten grau in der schwachen Beleuchtung.
„Ist alles in Ordnung?“, wiederholte die Jüngere auf Deutsch. Amelia nickte stumm. Natürlich war alles in Ordnung. Alles bis auf die Tatsache, dass sie womöglich wieder anfing, Gespenster zu sehen. „Es geht schon“, murmelte sie und bemühte sich um ein krampfhaftes Lächeln, welches auf ihrem Gesicht erstarb, bevor es sich ausbreiten konnte.
Felice atmete erleichtert aus, entließ die Ältere aus ihrem Griff. Amelia beugte sich nach vorne, als wollte sie zusammenklappen, sich einer kauernden Stellung annähern. Doch wieder hielt Felice sie davon ab, ihrer Schwäche nachzugeben, fing sie auf, hielt Amelia, bis sie fühlte, dass die andere ihre Standsicherheit wiedergewonnen hatte.
„Komm mit mir“, flüsterte sie der Dunkelhaarigen zu und führte sie in das Wohnzimmer, in dem immer noch oder schon wieder das heimelig golden orange Licht den Raum sanft erhellte.
„Setz dich“, sagte Felice und schob die Decken ein Stück zur Seite. „Du hast mich ganz schön erschreckt.“
„Das tut mir leid“, krächzte Amelia zurück, verwundert, wo ihre Stimme geblieben war. Sie hustete, sah schließlich unsicher zu Felice auf. Ein süßes Lächeln umspielte den geschwungenen Mund der Blonden, als sie zu der Älteren herabsah, beinahe, als wäre es an ihr, Amelia Schutz und Trost zu gewähren. Noch einmal räusperte Amelia sich, schüttelte den Kopf, fuhr sich schließlich durch die braunen Locken, bevor sie weiter sprach.
„Es ist dumm. Ich hab nur…“ Sie vollführte eine Geste, die das gesamte Haus umfassen sollte.
„Alles alt hier, die Möbel, die Wände, alles lebt.“ Sie hustete wieder. „So ein altes Haus macht Geräusche und manchmal… manchmal bilde ich mir da etwas ein.“
Felice sprang auf, nahm mit schlafwandlerischer Sicherheit ein Glas aus dem Schrank und füllte es rasch mit Wasser, bevor sie es Amelia an die Lippen führte. Dankbar nahm diese einen Schluck, lächelte Felice zu. „Es ist dumm, ich weiß.“
 


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